Mein Leben
mit NDO
Es gibt Themen, über die man eher ungern spricht. Das Blasenmanagement und die damit verbundenen Herausforderungen gehört häufig dazu. Umso wichtiger ist es dieses Thema endlich zu enttabuisieren. Auf die Toilette gehen müssen wir schließlich alle.
Der NDO Blog
Von Mensch zu Mensch
Dieser Blog soll Betroffene einer neurogenen Detrusorüberaktivität unterstützen, zum Austausch anregen und nicht zuletzt einfach Spaß machen – ganz unverblümt und von Mensch zu Mensch.
Authentisch und aus dem wirklichen, meist nicht perfekten Leben, erzählt.
Ein gut bezahlter Beruf trotz Handicap
Allgemeine Beiträge
Hi liebe Leserinnen und Leser,
Ich weiß nicht wie es euch geht, aber gerade zu Beginn meiner Querschnittslähmung und in jungen Jahren sind mir viele Fragen im Kopf herumgegangen: Werde ich jemals wieder einen Beruf ausüben? Welche Bedenken könnte jemand haben, der mich einstellen möchte? Es gibt so viele Fußgänger*innen da draußen, warum sollte jemand mich einstellen wollen? Werde ich Unterstützung bei der Suche nach einem Beruf beziehungsweise während des Berufs bekommen?
Das ist nur eine kleine Auswahl der Fragen, die mich beschäftigt haben und die mich haben zweifeln lassen. Inzwischen kann ich euch sagen, diese Fragen bringen uns nicht weiter und sind unbegründet. Aber eines nach dem anderen, ich beginne erstmal damit, wie ich einen Job als Aktienanalyst bekommen habe.
Mein Gedanke zu Beginn war, wenn ich schon körperlich eingeschränkt bin, dann darf es zumindest an meinen geistigen Fähigkeiten keine Zweifel geben. Ob dieser Gedanke nun richtig ist oder nicht sei mal dahingestellt. Aber aus diesem Grund habe ich versucht, die bestmögliche Ausbildung für meinen Traumberuf als Aktienanalyst zu absolvieren: Ein Masterstudium in Wirtschaftsmathematik. Zugegebenermaßen ist dieses Studium sehr herausfordernd und das ein oder andere Mal habe ich mich gefragt, ob es das wirklich wert ist. Im Nachgang ist die Antwort klar: Es ist es wert.
Denn meine Befürchtungen, dass ich von den Banken und Fondsgesellschaften nicht eingestellt werde aufgrund meines Handicaps, waren vollkommen unbegründet. Ich habe drei Bewerbungen geschrieben und wurde zu drei Vorstellungsgesprächen eingeladen. Tatsächlich war es so, dass die Personalverantwortlichen von meinem Lebenslauf samt Studium, Auslandssemester und passenden Praktikas trotz meines Handicaps beeindruckt waren. In meinem Fall war mein Handicap also kein Nachteil, eventuell sogar ein Vorteil. Letztlich bekam ich zwei Zusagen und sobald der Arbeitsvertrag unterschrieben war, wurde ich ein zweites Mal überrascht.
Denn ich habe mich natürlich gefragt, wer die Kosten für das Einrichten meines angepassten Arbeitsplatzes, den Umbau der Toilette in eine behindertengerechte Toilette und den barrierefreien Zugang zum Gebäude übernimmt. Meine Erfahrungen mit Krankenkassen, öffentlichen Kostenträgern und Co waren bis dahin nämlich eher mau. Jedoch war die Agentur für Arbeit, als zuständiger Kostenträger, sehr gesprächs- und hilfsbereit. Erst im Nachhinein ist mir klar geworden, warum dies der Fall war. Schließlich ist ein aktiver Steuerzahler für den Staat natürlich viel attraktiver als ein passiver Sozialhilfeempfänger. Deshalb war die Unterstützung seitens der Agentur für Arbeit ausgesprochen unbürokratisch und umfangreich.
Nun schauen wir uns den Arbeitsalltag mal etwas genauer an: Ich durfte mir meine Arbeitszeit relativ selbstbestimmt einteilen, denn die einzige Vorgabe war, dass ich zwischen 10 und 16 Uhr, was als sogenannte Kernarbeitszeit bezeichnet wird, anwesend sein musste. Das kam mir natürlich entgegen, denn natürlich hilft mir diese Flexibilität, mein Arbeitsleben anhand der Bedürfnisse meines Handicaps entsprechend auszurichten. Je mehr ich dann gezeigt habe, dass ich selbstbestimmt, konstruktiv und lösungsorientiert arbeiten kann, desto mehr Freiheitsgrade wurden mir gegeben. Somit war für mich die Vereinbarkeit von Handicap und Beruf sehr gut möglich. Darüber hinaus bekam ich aufgrund meines Schwerbehindertenausweises noch sechs zusätzliche Urlaubstage, in denen ich Arzt- und Krankenhausbesuche sehr gut organisieren konnte.
Zur damaligen Zeit im Jahr 2016 war das Thema Home Office noch nicht so präsent wie heute, deshalb kann ich mir vorstellen, dass die Flexibilität der Arbeitgeber, auf die Bedürfnisse für dich und dein Handicap einzugehen, sogar noch zugenommen haben.
Die Voraussetzung ist allerdings eben, dass du mit Hilfe deines Lebenslaufs und deines Auftretens dem Arbeitgeber das Gefühl vermittelst, hier einen wichtigen Beitrag leisten zu können völlig unabhängig von deinem Handicap. Dann sind alle Bedenken und Fragen, die ich am Anfang dieses Artikels genannt habe, völlig unbegründet. Das bedeutet Handicap und Beruf beziehungsweise sogar Handicap und gut bezahlter Beruf schließen sich nicht aus, sondern sind sehr gut möglich. Falls das also dein Wunsch ist, liegt es an dir, diesen Wunsch wahr werden zu lassen. Ganz viel Erfolg dabei!
Alles liebe,
Dein Sebastian
Sebastian Wächter
Sebastian
32 Jahre
Rollstuhl-Rugby-Spieler
Profil
Ein falscher Schritt beim Wandern wird Sebastian Wächter zum Verhängnis. Er stürzt und bricht sich das Genick. Diagnose:
Querschnittslähmung. 95 Prozent seiner Muskeln sind betroffen. Und das mit 18 Jahren...
Bitte beachten Sie, dass die hier enthaltenen Informationen lediglich als Orientierungshilfe dienen und das ärztliche Gespräch nicht ersetzen können.